Mit guten Stories die Menschen erreichen, berühren und überzeugen
Was genau ist Storytelling und was muss ich beachten, um meine Inhalte mit spannenden Geschichten überzeugend zu vermitteln?
Ein Interview mit unserer STORYTELLING-Expertin und -Trainerin Nadine Antler
Storytelling ist eine Art Buzzword. Was versteckt sich eigentlich dahinter?
Je nachdem, auf wen man hört, bekommt man unterschiedliche Antworten auf diese Frage. Meine Antwort wäre: Inhalte so zu vermitteln, dass unser Gegenüber uns an den Lippen hängt und mehr wissen möchte… eben Geschichten zu erzählen.
Menschen lieben Geschichten. Wir fiebern mit Indiana Jones, mit Hermine Granger, mit Luke Skywalker, mit Miss Marple – egal ob es um die Lösung eines Mordfalls, die Suche nach dem verlorenen Schatz oder die Zerstörung des Todesstern geht. Und wenn es ganz am Schluss der Story eine Moral gibt, dann haben wir sie nicht nur gehört, nicht nur verstanden, sondern wir haben sie miterlebt. Das macht für mich Storytelling aus – und den Unterschied zu drögen Fakten-Präsentationen, bei denen mir eine Moral erzählt wird, aber ich emotional keinen Bezug dazu bekomme. Das geschieht durch die perfekte Balance von erzählerischem Handwerk, Kontakt zum Gegenüber und dem Schärfen, worauf die Geschichte hinausläuft – was meine Botschaft ist. Alles andere wird weggelassen.
Was fasziniert dich persönlich am Thema Storytelling?
Wir leben in einer Zeit, in der Aufmerksamkeit ein sehr begrenztes Gut ist. Der Kampf ums Zuhören wird meines Erachtens durch gutes Storytelling gewonnen. Das ist nicht immer ein Segen, wenn man sich die Massen an perfekt erzählten Geschichten in der Werbe-Maschinerie anschaut, die uns Tag für Tag um die Ohren gehauen werden. Aber es ist wirklich eine Kunst, Aufmerksamkeit für das eigene dringende Anliegen zu finden – und zu erhalten. Und hier begeistert mich, dass dies eben individuell geschieht. Es geht um die Dinge, für die wir brennen – und wie wir für sie brennen. Daher ist jede Story und jede gute Präsentation anders, je nach Erzähler*in. Und das ist für mich auch der Reiz beim Vermitteln der Technik: die perfekte Geschichte zu finden für jede Biografie, für jede Persönlichkeit, so dass es stimmig und authentisch ist.
Mich begeistert, dass Storytelling beides ist: sowohl klassisches Handwerk als auch Freestyle. Damit meine ich: Alles ist möglich. Es gibt klare Strukturen, und diese können verlassen werden, wenn es sinnvoll ist. Ich persönlich bin schnell von Formulas gelangweilt, daher begeistere ich mich sehr, Stories zu finden, die handwerklich stimmig, aber auch passgenau, mit Leben gefüllt und authentisch sind. Denn Storytelling ist persönlich. Und immer wieder neu und überraschend. Und darum auch so fesselnd.
Wo hilft dir Storytelling?
Storytelling hilft mir, Aufmerksamkeit zu bekommen und zu behalten, bis ich erzählt habe, was mir wichtig ist. Es hilft mir, die Inhalte so zu schärfen, dass sie für mein Gegenüber relevant sind und er oder sie schnell die Bedeutung für die eigene Situation erfassen kann. Und lehrt mich immer wieder neu, die Effizienzfalle zu verlassen – statt schneller Fakten-Auflistung ist manchmal der gefühlte Umweg über die Emotion oder das Detail der effektivere, auch wenn ich vielleicht 30 Sekunden mehr investiere.
Als wertvoller Nebeneffekt bringt das Wissen um Storytelling mit sich, genau hinzuschauen, wann ich manipuliert werde. Wo trägt die Geschichte eine Moral, die das Produkt am Schluss nicht einlöst? Gerade wenn man Werbung unter diesem Aspekt anschaut, merkt man schnell, wenn einem emotional etwas eingetrichtert wird, das – auf Fakten überprüft –schnell sehr dünn wird. Deshalb achte ich persönlich als Trainerin in meinen Workshops penibel darauf, dass die Stories gut mit Fachwissen untermauert sind, dass man nichts verspricht, was man nicht einlösen kann. Auch das macht für mich gutes und v. a. seriöses Storytelling aus.
Warum Storytelling im Unternehmen?
Damit echtes Interesse entsteht. Damit Menschen begeistert sind. Damit man nachvollziehen kann, worum es eigentlich geht. Kein Mensch verlangt, dass Präsentationen im beruflichen Kontext dröge sein müssen. Und es ist absolut überflüssig, Zahlen und Fakten ohne Bedeutung für das Gegenüber zu präsentieren. Dann hört nämlich auch keine*r zu. Ich bin davon überzeugt, dass es die Aufgabe der Präsentierenden ist, das Lebensumfeld und die Situation der Zuhörer*innen mitzudenken und von diesen auszugehen. Kurz gesagt: Ich muss keine Lösung für etwas präsentieren, wenn mein Gegenüber dafür überhaupt kein Problembewusstsein hat. Oder noch globaler gesprochen: Wenn ich alles Menschliche aus dem beruflichen Kontext entferne, dann muss ich mich nicht wundern, wenn Menschen beim Zuhören abschalten.
Meine Geschichten finde ich immer sehr langweilig. Ich höre aber gerne Geschichten. Wie kann ich das nutzen oder auch trainieren, besser zu werden?
Nicht alle Geschichten sind super spannend, aber meine Erfahrung ist, dass die meisten Menschen davon überzeugt sind, dass die eigenen Stories nicht so spannend sind wie die der anderen, und viel zu früh aufgeben. Das hat meines Erachtens damit zu tun, dass einem die eigene Welt immer gewöhnlich erscheint. Und es ist demzufolge in 90 Prozent der Fälle ein Fehler, die eigene Geschichten vorschnell zu verurteilen. Dann gibt es natürlich Handwerk, mit Hilfe dessen man nochmal alle Erlebnisse unter die Lupe nehmen kann und Geschichten daraus macht. Das hat eigentlich nie mit Hinzuerfinden zu tun, sondern fast immer mit Weglassen. Es braucht dann handwerklich noch das richtige Maß an Spannung, Identifizierung mit den Protagonist*innen, Emotionalität und spezifischen Details, um die Zuhörer*innen in das Erzählte zu versetzen. Junge trifft Mädchen und verliebt sich – das ist ok. Aber wenn wir z. B. wissen, dass das Mädchen Sommersprossen, rote, krause Haare und einen ebenso roten Bikini trägt und der Wind am Strand dabei so kräftig weht, dass der Duft nach Tannennadeln uns in die Nase steigt, sind wir plötzlich selbst dort und verlieben uns stellvertretend mit.
Wie läuft Storytelling auf der Improbühne ab? Wie entsteht zusammen aus dem Nichts eine Geschichte?
Als Steife Brise bringen wir Geschichten auf die Bühne – ausgefeilte Erzählungen und schräge Stories, deren Moral schon auch mal zurechtgerückt werden muss. Denn wir erfinden die Story in der Regel im Miteinander. Stück für Stück entwickelt sich eine Geschichte, ohne dass wir ahnen, wo sie hinläuft. Aber beim improvisierten Storytelling ist es wie bei einem Trichter. Am Anfang ist ganz viel möglich, alles ist richtig und nutzbar. Je mehr die Geschichte fortschreitet, um so folgerichtiger muss das Storytelling werden. Je enger der Raum der Möglichkeiten wird, um so klarer liegen die Entwicklungsmöglichkeiten der Geschichte vor uns – bis es ganz am Schluss nur noch eine letzte folgerichtige Entscheidung gibt.
Wie unterscheidet sich das vom Business-Storytelling?
Klassisches Business-Storytelling funktioniert genau andersherum. Wir beginnen im Training, erstmal den Kontext zu schärfen. Was ist eigentlich meine Botschaft? Mein Call-to-Action? Was ist die Essenz meiner Präsentation? Aus dieser wird rückwärts die gesamte Geschichte erzählt. Dabei bin ich ein großer Fan davon, nichts zu erfinden, sondern authentische und damit glaubhafte Begebenheiten zu erzählen. Das Geheimnis liegt darin, dass alles weggelassen wird, was nicht zur Geschichte passt.
Sowohl im Business als auch auf der Bühne geht es jedoch um die gleiche Grundstruktur: Situation – Komplikation – Lösung. Geschichten erzählen von Zusammenhängen, von Bildern und Emotionen.
All das läuft in der Businesswelt genauso ab wie Storytelling auf der Bühne, nur gehört es zum (bisher kultivierten) „guten“ Businesston, das eher auszublenden. Dadurch wird die Businesssprache oft unpersönlich und schwer zu verfolgen. Das möchte Storytelling ändern. Es geht meiner Meinung nach letztendlich um Menschlichkeit.
Warum kann die Steife Brise Storytelling gut vermitteln?
Weil wir nicht nur Storytelling-Expert*innen sind, sondern auch beide Welten kennen: zum einen die kreative, in der alles möglich ist und möglich sein muss. Weil wir zu dem Menschen vor uns mit all seinen unvorhergesehenen Impulsen 100 Prozent Ja sagen. Damit ermöglichen wir, dass die Kreativität zunächst einmal ungehemmt fließen kann und die Zensur nicht zu früh zuschlägt. Wir können deshalb Menschen sehr gut auf diesem Prozess begleiten: Fehler zulassen, Kreativität und Unsicherheit aushalten und erst ganz am Schluss wieder zum Produkt zurückkommen. Und wir kennen zum anderen aber auch unsere Kunden und die Businesswelt aus über 25 Jahren Erfahrung: Wir arbeiten uns in die Themen unseres Gegenübers ein und suchen gemeinsam nach der passenden und persönlichen Lösung, die genau in den Kontext passt. Damit wird jede Geschichte ein Unikat und so lange daran gefeilt, bis sie wirklich zur Person und Situation passt.
Was kann das Business aus guten Stories lernen?
Menschlichkeit zuzulassen. Emotionen zu erlauben und deren Wert zu sehen.
Welche Geschichten hörst du am liebsten?
Solche, die an meine Lebenswelt anknüpfen, an Fragen, die ich mir selber stelle. Die mir einen Einblick erlauben, wie andere Menschen mit Situationen umgehen und die mich deshalb zum Nachdenken bringen. Wenn Stories richtig gut gemacht sind, sind sie allerdings zutiefst menschlich, so dass sie uns alle in den Bann schlagen können. Die Königsdisziplin.